1.1.4.14 Abfall des Präfixes (vorangestellten Wortbausteins) ge-

Das Präfix ge- war im nordniedersächsischen Niederdeutsch weitgehend abgefallen. Den Abfall hat es gemeinsam mit dem Englischen sowie dem Skandinavischen.

Hinweis:

Der Wegfall gilt auch für andere Gebiete. Erhalten ist es nur noch im südlichen Ostniederdeutschen in der Form je- und im südlichen Westniederdeutschen in der Schwundform e-.

Indessen ist das Präfix, wo es weggefallen war, inzwischen vielfach unter dem Einfluss des Hochdeutschen zurückgekehrt. Es ergibt sich folgendes ungefähres Bild:

  1. Bei Verben

    Das Präfix ist abgefallen

    1. überwiegend im Infinitiv und allen Konjugationsformen, z.B.

      bruken gebrauchen, hören gehören

    2. durchweg im Partizip Präteritum, z.B.

      holpen geholfen, arvt geerbt

  2. Bei Substantiven/Nomen

    1. Das Präfix wird vermieden

      1. durch Pluralbildungen, z.B.

        Bargen Gebirge, Darms Gedärme

      2. durch den Verzicht auf Ableitungen mit Ge-, z.B.

        Fall Gefälle, Fatt Gefäß

    2. Um lästiges Geschehen oder lästige Wiederholung auszudrücken,
      was hochdeutsch mit dem Präfix Ge- erfolgen kann, stehen niederdeutsch entsprechende Wörter mit dem Suffix -eree bzw. -erie, zur Verfügung, z.B.

      Snackeree/-ie Gerede, Loperee/-ie Gelaufe

    3. Im Übrigen sind grammatisch-semantische Gruppen nicht festzustellen. Es gibt Substantive/Nomen,

      1. die stets das Präfix haben, z.B.

        Gefohr Gefahr

      2. die nebeneinander Formen mit und ohne Präfix haben, wobei die präfixlosen meistens die älteren sind und regional zum Teil nicht nicht mehr verwendet werden, z.B.

        Bott/Gebott Gebot
        Duld/Geduld Geduld
        Smack/Gesmack Geschmack
        Düer/Gedüer Geduld
        Ruch/Geruch Geruch
        Warf/Gewarf Gewerbe

        Die präfixlosen Formen werden öfter vorgezogen, weil sie als kennzeichnend niederdeutsch angesehen werden.

  3. Bei Adjektiven und Adverbien